Im 19. Jahrhundert waren Deutsche und Russen Nachbarn. Preußen, Russland und Österreich hatten zwischen 1772 und 1795 das zwischen ihnen liegende Polen unter sich aufgeteilt. Es sollte erst 1918 wieder ein eigenständiger Staat werden. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gab es also zwischen den Städten Memel (Klaipeda) im heutigen Litauen und Kattowitz (Katowice) im heutigen Polen eine preußisch-russische Grenze.
Wie bei Hausnachbarn, so ist es auch bei Ländernachbarn: Man kann sich ablehnen oder befreundet sein, aber man kann sich nicht ignorieren. Im privaten Leben bekommt man mit, was auf der anderen Seite des Zauns passiert, wenn der Nachbar laut im Garten feiert oder den Gehweg nicht streut. Und Politiker eines Landes erfahren, wenn im Nachbarland Heere aufgestellt und Kriege geführt werden. Was im Nachbarland passiert, berührt immer die Menschen diesseits und jenseits der Grenze.
Ich möchte in diesem Kapitel nach den deutsch-russischen Beziehungen in der Zeit der direkten Nachbarschaft fragen. Was kann man daraus für heute lernen?