Über die ersten Tage auf der späteren Beringinsel (Ende November 1741)
In
diesen Tagen erhielt man denn auch die Nachricht, welche jedermann noch
mehr niederschlug, daß unsre Kundschafter im Esten keine Anzeige eines
Zusammenhangs dieses Landes mit Kamtschatka, ja auch nicht die geringste
Spur von menschlichen Bewohnern, gefunden hätten. Ueberdem standen wir
in täglicher Furcht, daß bey den beständigen Stürmen unser Fahrzeug in
die See getrieben und damit aller Proviant und Hoffnung zur Erlösung auf
einmahl verlohren gehen würde. Wegen der hohen Wellen konnte man oft in
mehrern Tagen mit dem Boot nicht an das Schiff kommen [das vor der
Küste auf ein Riff aufgelaufen war], um soviel möglich die Bedürfnisse
daraus zu landen. Zudem wurden auch noch zehn bis zwölf Mann, die bisher
noch immer und über Vermögen gearbeitet und bis zu Ende des Monats oft
bis unter die Arme im kalten Seewasser gestanden hatten, nun ebenfalls
krank. Überhaupt, Mangel, Blöße, Frost, Nässe, Ohnmacht, Krankheit,
Ungedult und Verzweiflung waren die täglichen Gäste.
Über den Tod Vitus Berings
Ohne
Zweifel würde er am Leben geblieben seyn, wenn er Kamtschatka erreicht
und nur der Wärme eines Zimmers und frischer Speisen sich hätte bedienen
können. So aber kam er fast vor Hunger, Durst, Kälte, Ungemach und
Betrübniß um, und der ödömatöse Geschwulst der Füsse, den er schon längst von einem gestopften Tertianfieber hatte,
wurde durch die Kälte vermehrt und in den Leib und die Brust getrieben,
endlich aber seinem Leben, durch den im Unterleibe entstandenen Brand,
am 8ten December zwey Stunden
vor Tage, ein Ende gemacht. So jammervoll sein Tod seinen Freunden
scheinen muste, so bewundernswürdig war seine Gelassenheit und
ernstliche Zubereitung zum Scheiden, welches bey völliger Vernunft und
Sprache erfolgte.
Über die Überfahrt nach Kamtschatka
Den
13ten August gingen endlich alle, mit vieler innerlicher Bewegung, aus
ihren Wohnungen nach dem Fahrzeuge, welches uns entweder nach unserem
Vaterlande führen, oder auf irgendeine Art unserm Schicksal den
Ausschlag geben sollte. Als wir auf dem Fahrzeug beysammen waren, sahe
man erstlich wie enge der Raum und wie beschwerlich die Reise dahero
werden würde. [...]
Den 17ten am Dienstag frühe, bekamen wir auf
einmal das feste Land von Kamtschatka zu sehen. Wir erreichten selbiges
gerade in der Gegend des Kronozkischen Vorgebirges, sahen es auch, wegen
trüber und neblichter Witterung nicht eher, als bis wir uns etwa eine
Meile von Ufer befanden. Nichts desto weniger blieb man bey dem Vorsatz,
nach dem Hafen zu gehen, von welchem wir noch dreißig Meilen entfernt
waren. Da aber die ganze Zeit über, unter dem Lande Kamtschatka entweder
eine gänzliche Windstille oder der Wind widrig war, so brachten wir
noch neun Tage mit lavieren zu, bis wir endlich den 26ten August, da man
sich vier und zwanzig Stunden lang ohne Unterlaß der Ruder bedient
hatte, in der Nacht in die Mündung des Seebusens, und den 27ten Abends
in den längst gewünschten Hafen [Petropavlovsk] selbst kamen.
ödematös: durch Wassereinlagerung verursachte
gestopften Tertianfieber: Malaria
8ten December: nach dem russischen/julianischen Kalender, nach unserem/gregorianischen Kalender starb Bering am 19. Dezember