3.3 Heimat und Identität

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§ Cc4

Was ist Heimat?

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3.3 Heimat und Identität

Heimat hat damit zu tun, woher ich komme und wohin ich mich sehne. Meine Heimat ist ein Teil von mir. Sie hat mich geprägt und prägt mich vielleicht noch immer. Heimat ist also ein wichtiger Teil meiner Identität.

Wie macht sie das, die Heimat? Wie schafft sie es, mich zu prägen? Und was ist das überhaupt: Heimat? Hat jeder eine und hat jeder nur eine Heimat? Ist sie ein Ort, ein Gefühl, eine Sehnsucht?

Darstellung 1

Was ist Heimat? Eine kleine Sammlung

Home is where your heart is.
englisches Sprichwort

Wo du weg willst wenn du älter wirst und zurück willst wenn du alt bist, das ist Heimat.
deutsches Sprichwort

Heimat ist da, wo man sich nicht erklären muss.
Johann Gottfried Herder, deutscher Dichter und Philosoph (1744-1803)

Prag lässt nicht los. Dieses Mütterchen hat Krallen.
der aus Prag stammende Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924)

Zusammengestellt von Lukas Epperlein, Institut für digitales Lernen

Aufgabe 1

Beschreibe, was 'Heimat' für dich bedeutet. Benutze dabei höchstens drei Sätze.

1. Heimat – ein Ort?

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Kunstinstallation zum Thema 'Heimat'

Kunstinstallation zum Thema 'Heimat'

Eine weit verbreitete Definition von Heimat lautet: Heimat ist der Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist. Das ist eine naheliegende und leicht verständliche Beschreibung. Das Zimmer, in dem wir als Kind geschlafen haben, der Garten, in dem wir gespielt haben, die Stadt, in der wir unsere ersten Freunde getroffen haben – all das bleibt uns ein Leben lang in Erinnerung.

Darüber hinaus neigen die meisten Menschen zu Nostalgie, das heißt, je älter sie werden, desto mehr sehen sie ihre frühen Erfahrungen und Erlebnisse positiv. Die Kindheit erscheint so den meisten Menschen im Nachhinein als eine Zeit der Sicherheit und des Glücks. Die Sorgen und Probleme des Erwachsenseins verdrängen sie eher. Deshalb verbinden sie auch mit dem Ort, an dem diese Erfahrungen stattgefunden haben positive, heimatliche Gefühle.

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"Heimat" - dieser zwei Meter hohe Schriftzug steht interessanterweise neben einem Neubaugebiet bei Schwäbisch Gmünd.

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Screenshot des Accounts 'russlanddeutsche' auf Instagram

Heimat und Migration – kann man mehrere Heimaten haben?

Wenn der Mensch seinen Geburtsort aber irgendwann für längere Zeit verlässt, wird es kompliziert. Die alte Heimat behält er in seinen Gedanken und Erinnerungen. Aber was macht er mit dem Ort, an den er gezogen ist?

Wenn er Glück hat, wird er auch dort schöne Erlebnisse haben, Freunde finden, sich ein Heim schaffen. Dafür verwendet man dann Begriffe wie 'angekommen sein', 'Wahlheimat' oder 'aufgenommen werden'. Und das bedeutet vielleicht tatsächlich, dass zur ursprünglichen Heimat eine zweite Heimat hinzugekommen ist.

Hat der Mensch aber Pech, so wird er nicht akzeptiert und findet keinen Zugang zu seinen Mitmenschen. Dann spricht man eher von 'Exil', 'Fremde' oder 'draußen bleiben'. Und in so einem Fall wird der betroffene Mensch seine ursprüngliche Heimat umso mehr positiv sehen. Im Gegensatz zum neuen Aufenthaltsort bietet ihm dann die Erinnerung an seine frühere Heimat schöne Gefühle und Erinnerungen.

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Heimat – ein Ort gemeinsamer Erinnerungen

Manchmal empfinden Menschen auch einen Ort als Heimat, an dem sie selbst nie gelebt haben. Diese Menschen gehören dann meistens einer Gruppe an, die vor mehreren Generationen einen bestimmten Ort verlassen hat oder verlassen musste. Dieser Ort bleibt dann in der Erinnerung der Gruppe als Heimat bestehen. Man nennt das kollektive Erinnerung. Erzählungen, Erfahrungen und Erinnerungen der eigenen Vorfahren von diesem Ort werden innerhalb der Gruppe weitergegeben.

Ein Beispiel: die Juden in der Diaspora

Im 2. Jahrhundert n. Chr. wurden die Juden von den Römern aus Jerusalem und dem Gebiet des heutigen Staates Israel vertrieben. Seitdem lebten sie über die Welt verteilt in der Diasapora. (Diaspora ist das griechische Wort für Zerstreuung.) In den folgenden knapp zweitausend Jahren behielten sie aber ein Gefühl für Israel als ihre eigentliche Heimat. Viele Juden kannten das Land nur aus uralten Erzählungen und ihren religiösen Texten. Das Gefühl für die Heimat blieb so stark, dass sich im 19. Jahrhundert die Bewegung des Zionismus bildete. (Der Hügel auf dem Jerusalem gebaut wurde, heißt Zion.) Das Ziel der Bewegung war es, Israel wieder zur Heimat der Juden zu machen. Nach dem Völkermord der Nationalsozialisten an den Juden wurde dieses Ziel im Jahr 1948 mit der Staatsgründung Israels erreicht.

Lukas Epperlein, Institut für digitales Lernen

2. Heimat – ein Gefühl?

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Galerie: gefühlte Heimat

Um an ihre 'heimatlichen' Nahrungsmittel und Einrichtungsgegenstände zu kommen, haben Migranten oft spezielle Läden. Diese bieten die Produkte aus der ursprünglichen Herkunftsregion an. Hier zu sehen ist ein 'Asia-Markt' in Deutschland, in dem es Waren aus den Ländern Ostasiens zu kaufen gibt. Ähnliche Läden gibt es auch für russische, arabische und türkische Produkte.

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Galerie: gefühlte Heimat

Der Sri Kamadchi Ampal-Tempel in Hamm ist der größte Hindu-Tempel Deutschlands. Bei dem jährlich stattfindenden Tempelfest besuchen ihn bis zu 15.000 Menschen.

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Galerie: gefühlte Heimat

Eine Verbindung in die Heimat: Über Satellitenfernsehen können sich Migranten Nachrichten, TV-Serien und Sportereignisse aus ihrer Heimat ins eigene Wohnzimmer holen. Das Foto wurde in Neukölln gemacht, einem Berliner Stadtteil, in dem viele Migranten leben.

Man kann Heimat aber noch anders verstehen. Sie kann mehr sein, als der Ort, aus dem man stammt. Heimat kann auch eine Sprache, ein Dialekt, ein Lied sein. Sie kann der Geschmack eines Essens sein (siehe Kapitel 2.4), ein Spiel oder eine alltägliche Gewohnheit. Wichtig ist nur, dass wir mit der jeweiligen Sache positive Erinnerungen an ein heimatliches Zuhause verbinden. Heimat lässt sich also an unterschiedliche Orte mitnehmen.

Ich kann an einem anderen Ort das Essen zubereiten, dass mir meine Mutter immer gekocht hat. Und es ist überall möglich, Menschen zu treffen, die den Dialekt meiner Eltern sprechen.

Mit diesem Gefühl von Heimat hat es sicher auch zu tun, dass Migranten oft gemeinsam eine Gruppe bilden. Sie suchen dann zum Beispiel Menschen, die aus der gleichen Gegend stammen. Und untereinander sprechen sie dann vielleicht auch weiter ihre Sprache. Zum Heimatgefühl kann auch beitragen, im Internet oder mit Satellitenfernsehen die Spiele der heimatlichen Fußballmannschaft anzuschauen. All das erzeugt ein Gefühl von Heimat, auch wenn diese Heimat mehrere tausend Kilometer entfernt liegt.

Darstellung 3

Heimat in der Fremde: ein Film über Deutsche in Brasilien

Über diesen Link findest du eine Dokumentation über den Ort Blumenau, gegründet von deutschen Auswanderern, in Brasilien.

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Angst vor der Parallelgesellschaft

Wenn Migrantengruppen zuviel Zeit miteinander verbringen, wird die Mehrheitsgesellschaft oft misstrauisch. Es heißt dann schnell: 'Die schotten sich ab.'; 'Die wollen sich nicht integrieren.'; 'Die weigern sich, unsere Sprache zu sprechen' oder: 'Die bilden eine Parallelgesellschaft'.

Parallelgesellschaften können ein Problem für den gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt darstellen. Wenn ein Teil der in einem Land lebenden Menschen nicht mit dem Rest der Bevölkerung sprechen kann oder will, dann ist das ein Problem. Und wenn Menschen möglicherweise sogar die Werte der Mehrheit ablehnen, führt das zu Missverständnissen und Konflikten. Innerhalb der sich abschottenden Gruppe kann sich die Erfahrung ausbreiten, chancenlos zu sein. Dann entsteht das Gefühl der Perspektivlosigkeit.

Lukas Epperlein, Institut für digitales Lernen

3. Russlanddeutsche und Heimat

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Galerie: Russlanddeutsche Heimaten

Die 'alte Heimat': Das Gemälde aus dem 18. Jahrhundert zeigt das Leben auf einem deutschen Bauernhof. Aus dieser Welt kamen die meisten der ersten Russlanddeutschen.

Johann Ludwig Ernst Morgenstern (1738-1819), Ein Bauernhof, von 1794.

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Galerie: Russlanddeutsche Heimaten

Die 'alten Dörfer': Das Foto zeigt die Kolonie Darmstadt in der heutigen Ukraine im Jahr 1918. In solchen, von ihnen und ihren Vorfahren errichteten Dörfern, lebten die meisten Russlanddeutschen. 1941 wurden sie jedoch gezwungen, diese Dörfer zu verlassen. Sie wurden in die östlichen Teile der Sowjetunion deportiert.

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Galerie: Russlanddeutsche Heimaten

Mehrere Jahrzehnte lebten die Russlanddeutschen dann in ihren zugewiesenen Gebieten, vor allem in Westsibirien und Kasachstan. Zu sehen ist das Russisch-Deutsche Haus in Barnaul (Altai, Russland).

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Galerie: Russlanddeutsche Heimaten

Als sich die meisten Russlanddeutschen dann Ende des 20. Jahrhunderts entschlossen, nach Deutschland zurückzukehren, wartete dort ein ganz anderes Deutschland auf sie, als das, welches ihre Vorfahren verlassen hatten.

Das Foto zeigt die Siedlung 'Dammanns Hof' in Harsewinkel (NRW), wo viele Spätaussiedler seit 1988 zunächst untergebracht wurden.

Fragen zu Heimat und Identität sind bei den Russlanddeutschen besonders spannend. Als Migranten haben sie schon einmal zwei Orte, gegenüber denen sie heimatliche Gefühle haben können: ihren Herkunftsort in der ehemaligen Sowjetunion (v.a. in Russland und Kasachstan) und den Zielort ihrer Übersiedlung nach Deutschland.

Hinzu kommt aber noch, dass gerade die älteren Russlanddeutschen oft mindestens eine erzwungene Migration innerhalb der damaligen Sowjetunion erfahren haben, nämlich als sie durch die stalinistischen Deportationen (siehe Kapitel 6.4) aus ihren ursprünglichen Dörfern in östliche Landesteile zwangsumgesiedelt wurden.

Und außerdem gab es unter den Russlanddeutschen immer auch Vorstellungen von der 'alten Heimat'. Mit dieser 'alten Heimat' war das Deutschland gemeint, das vorherige Generationen verlassen hatten.

Was ist in so einer Situation Heimat? Wie oft kann man eine neue Heimat finden? Und was geschieht, wenn man irgendwann wieder in die 'alte Heimat' Deutschland zurückkehrt, diese sich aber in der Zwischenzeit ziemlich stark verändert hat?

Quelle 1

Interviews mit Russlanddeutschen zum Thema Heimat

Auf der Unterseite zum Thema Heimat findest du einige Interviews, in denen Russlanddeutsche die Frage beantworten, was für sie Heimat bedeutet.

Aufgabe 2

1. Höre dir die Interviews zum Thema 'Heimat' in Quelle 1 an.

2. Welcher Aussage kannst du am ehesten zustimmen? Begründe deine Meinung.

3. Vergleiche deine Meinung mit deiner Aussage zu Aufgabe 1 am Beginn dieses Kapitels.