1.1 Aussiedler, Einwanderer, Flüchtlinge – Warum begeben sich Menschen an andere Orte?

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Der Weg ist das Ziel?

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1.1 Aussiedler, Einwanderer, Flüchtlinge – Warum begeben sich Menschen an andere Orte?

Aussiedler, Einwanderer, Flüchtlinge – es gibt im Deutschen eine Menge Begriffe für Menschen, die ihren Geburtsort verlassen, um an einem anderen Ort zu leben. Der Sammelbegriff für diese Menschen ist Migranten. Aber was bedeutet das eigentlich, wer ist Migrant und wie wird man Migrant? Aus welchen Gründen wandern Menschen aus bzw. ein? In diesem Kapitel geht es mir vor allem darum, einige Begriffe zu klären, die im Zusammenhang mit wandernden Menschen wichtig sind.

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Menschen streben immer nach neuen Herausforderungen: 1969 landeten die US-Amerikaner Neil Armstrong, Buzz Aldrin (im Bild) und Michael Collins auf dem Mond.

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Forscher gehen heute davon aus, dass sich der Mensch vor 150.000–200.000 Jahren in Ostafrika aus seinem affenähnlichen Vorgänger entwickelt hat. Hier siehst du eine Rekonstruktion eines solchen 'ersten Menschen'. In den folgenden Jahrtausenden wanderten Menschen immer weiter. Erst nach Asien uns Europa, später bis nach Australien und Amerika.

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Heute sind Menschen auch an den abgelegensten und unzugänglichsten Winkeln der Erde anzutreffen. Hier siehst du eine Forschungsstation in der Antarktis.

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Auch unsere Religion ist von den Geschichten großer Wanderungen geprägt: Eine der zentralen Geschichten der christlichen Bibel und jüdischen Thora ist der Exodus, der von Moses angeführte Auszug der Israeliten aus Ägypten.

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Die griechische Mythologie (Geschichte der Götter und Helden) prägte die europäischen Kulturen über Jahrhunderte hinweg. Die Geschichten sind voller Reisender: Odysseus, der griechische Halbgott, segelte zum Beispiel jahrelang über das Meer, um seine Heimat zu erreichen.

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Auch die heutige Welt ist durch Wanderungen geformt worden. Vor etwa 1500 Jahren fielen viele Germanenstämme in der sogenannten Völkerwanderung in das Römische Reich ein. Sie siedelten sich in West- und Südeuropa an. Aus den Reichen, die sie gründeten, wurden später Staaten, wie etwa Deutschland, Frankreich und England.

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Die USA sind ein Land, das fast ausschließlich von Wanderern und ihren Nachkommen bewohnt wird. Die Einwanderer kamen an der amerikanischen Ostküste an und besiedelten während des 18. und 19. Jahrhunderts auf ihrer Wanderung nach Westen das ganze Land (und vertrieben dabei die Ureinwohner).

Darstellung 1

Der Mensch als Wanderer

Das Wandern ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens - ebenso wie Geburt, Tod, Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme oder Krankheit bestimmt es das Leben der Menschen. Der Mensch wanderte schon, seitdem es ihn gibt, beispielsweise um Nahrung zu suchen oder um in einem anderen Land zu leben. Um zu überleben, war es auch manchmal nötig, weite Strecken über Land oder über das Meer bis auf andere Kontinente zurückzulegen.

Ein Historiker, Klaus J. Bade, hat den Menschen daher in Anlehnung an den wissenschaftlichen Begriff Homo sapiens als Homo migrans bezeichnet.

1. Die Wanderlust steckt in unserer Kultur

In Geschichten, Filmen und Liedern: überall taucht die menschliche Wanderlust auf. Ob auf der Flucht vor enttäuschter Liebe, aus Abenteuerlust und Entdeckerdrang oder um fremde Länder zu erobern – ständig wird in den wirklich spannenden Erzählungen gewandert. Klar, denn zu Hause passiert ja meistens nicht so viel Aufregendes.

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Musikalische Beispiele

Wandern und Reisen ist ein häufig auftauchendes Thema in der Musik, hier einige Beispiele:

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Beispiele im Film

Viele Filme beschäftigen sich mit dem Thema Reisen. Und es gibt einige Filme, deren ganze Handlung aus einer Reise besteht. 'Roadmovie' heißen solche Filme: die Reise steht darin meist als Metapher für die Suche nach der eigenen Identität oder Freiheit. Hier einige Beispiele: (Sollten die Links nicht funktionieren, suche auf YouTube nach den Titeln)

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Abenteuer: "Into the Wild"

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Tragikomödie: "Hin und Weg"

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Kriegsfilm: "Apocalypse Now"

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Fantasyfilm: "Der Herr der Ringe"

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2. Die Wanderlust steckt in unserem Wissen

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Galerie: Wanderndes Wissen

1945 gelang einer US-amerikanischen Forschergruppe die Entwicklung der ersten Atombombe. Dabei half unter anderem das Wissen mehrerer vor den Nazis geflohener deutscher Physiker. Als die Bombe dann fertig war, hätten die USA das Wissen um ihre Herstellung gern nur für sich behalten. Das war aber eine Illusion. Auch in der Sowjetunion und in anderen Ländern hatte sich das Wissen um die Atomspaltung verbreitet.

Das Foto zeigt einen Atombombentest 1954 auf dem Bikini-Atoll.

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Galerie: Wanderndes Wissen

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde in England die erste praktisch nutzbare Dampfmaschine entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Auch die Engländer wollten das Wissen um diese Maschine eigentlich nicht weitergeben und wenn doch, dann nur für sehr viel Geld. Also schickte Preußen, das auch gern so eine Maschine haben wollte, Diplomaten und Ingenieure nach England. Diese sahen sich die Maschinen an, fertigten Zeichnungen an und brachten diese zurück nach Preußen. Dort bauten sie dann selber Dampfmaschinen.

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Galerie: Wanderndes Wissen

Bis zur 'Entdeckung Amerikas' waren der Tabak und das Rauchen in Europa unbekannt. Europäische Seeleute und Entdecker beobachteten die amerikanischen Ureinwohner beim Inhalieren von Tabak und probierten es selber aus. Das Ergebnis gefiel ihnen gut genug, um selber mit dem Rauchen anzufangen und diesen Brauch mit nach Europa zu bringen.

Das Bild zeigt die Zeichnung 'Der Raucher' von Adriaen van Ostade (1610-1685).

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Galerie: Wanderndes Wissen

Der Vorläufer der Gitarre, die Laute, wurde von den Arabern im Mittelalter entwickelt. Die Kreuzritter brachten das Instrument dann nach Europa, wo es schnell zum Lieblingsinstrument der Minnesänger wurde.

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Galerie: Wanderndes Wissen

Das Papier wurde wohl schon vor über 2000 Jahren in China entwickelt. Zu Beginn des Mittelalters verbreitete es sich dann in die arabische Welt (wahrscheinlich über chinesische Kriegsgefangene). Die Europäer kamen wiederum während der Rückeroberung des damals muslimischen Spaniens im 12. Jahrhundert hinter das Geheimnis der Papierherstellung.

Heute erscheint es uns zum Beispiel ganz normal, dass das in Kalifornien erfundene Smartphone wenig später auch in Deutschland oder China gekauft werden kann. Als es aber noch kein Fernsehen, kein Internet und keine international tätigen Firmen gab, verbreiteten sich wissenschaftliche und technische Neuerungen nicht so rasend schnell über die Welt wie heute. Damals brauchte es noch reisende Menschen, um eine Entdeckung, die irgendwo gemacht wurde, um die Welt zu tragen.

3. Was ist Migration?

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Galerie: Migration?

Dieses Foto wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen und zeigt europäische Auswanderer in die USA. Sie befinden sich auf einem Schiff im Hafen von Triest. Die Menschen auf dem Bild verließen ihre Heimat, um in den USA ein neues Leben zu beginnen.

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Galerie: Migration?

Das Foto zeigt ein Nomadenlager im Iran. Nomaden ziehen mit ihren Tieren von einem Weideplatz zum nächsten. Manchmal überqueren sie dabei auch Staatsgrenzen. Sie haben weder einen einzigen Herkunftsort noch ein einziges Ziel.

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Galerie: Migration?

Das Foto zeigt italienische 'Gastarbeiterinnen' in einer Kölner Schokoladenfabrik. Es wurde im Jahr 1962 aufgenommen. 'Gastarbeiter' war die Bezeichnung für Menschen, die in den 1950er und 1960er Jahren von der bundesdeutschen Regierung aus der Türkei, Italien oder Griechenland nach Deutschland eingeladen wurden, um dort für einen längeren Zeitraum zu arbeiten. Viele von ihnen sind bis heute in Deutschland geblieben.

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Galerie: Migration?

Auf diesem Foto siehst du ein Boot mit Flüchtlingen vor Sizilien. Viele Menschen fliehen vor Krieg und Armut in ihren Heimatländern über das Mittelmeer. Sie haben die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa.

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Galerie: Migration?

Das Foto zeigt Touristen an einem Strand von Albufeira in Südportugal.

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Galerie: Migration?

Dieses Foto wurde 1975 aufgenommen und zeigt vietnamesische Studentinnen an der Leipziger Universität. Damals wie heute studieren viele Menschen im Ausland, manche für ein Semester, andere ein ganzes Studium lang. Die meisten Auslandsstudentinnen und -studenten kehren danach in ihre Herkunftsländer zurück, einige aber bleiben auch.

Was bedeutet eigentlich Migration? Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort migrare ab, das wandern, aus- oder wegziehen bedeutet. Es wird im Zusammenhang von ein- und auswandernden Menschen ständig verwendet. Und irgendwie haben wir alle das Gefühl, dasselbe zu meinen, wenn wir Migration sagen.

Versucht man jedoch, genau zu beschreiben, was Migration ausmacht (und was nicht), wird die Sache sehr viel schwieriger. Denn nicht jeder Mensch, der sich an einem anderen Ort aufhält als dem, an dem er geboren und aufgewachsen ist, ist ein Migrant. Menschen begeben sich

  • aus unterschiedlichen Gründen,
  • unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und
  • mit unterschiedlichen Zielen

an einen anderen Ort. Ob wir eine bestimmte Form dieser Bewegungen als Migration bezeichnen, hängt von all diesen Gründen, Bedingungen und Zielen ab.

Quelle 1

Eine Definition von Migration des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge

Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt, von internationaler Migration, wenn dies über Staatsgrenzen hinweg geschieht.

Quelle 2

Menschen, die einzeln oder in Gruppen ihre bisherigen Wohnorte verlassen, um sich an anderen Orten dauerhaft oder zumindest für längere Zeit niederzulassen, werden als Migranten bezeichnet.

https://de.wikipedia.org/wiki/Einwanderung [05.02.2025]

Aufgabe 1

Hier musst du selbst entscheiden, ob es sich um Migration handelt oder nicht.

Lies dir die beiden Quellen durch und schau dir danach die Galerie: Migration? an.Entscheide, welches der Beispiele in der Galerie Migration, bzw. Migranten darstellt

  • nach der Definition des Bundesamtes?
  • nach der Definition der Wikipedia?

Welche der beiden Definitionen findest du besser? Begründe deine Antwort.

4. Gründe zu gehen, Gründe zu kommen

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Galerie: Ein Beispiel für Push- und Pull-Faktoren

Das Bild zeigt europäische Auswanderer, die ein Schiff in die Vereinigten Staaten besteigen. Es stammt aus einer amerikanischen Zeitung von 1874.

Um das Jahr 1850 herum stieg die Zahl der Europäer, die in die USA auswanderten, stark an. Man kann diesen Anstieg unter anderem mit drei Ereignissen in dieser Zeit erklären. (Die Ereignisse folgen auf den nächsten Bildern.)

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Galerie: Ein Beispiel für Push- und Pull-Faktoren

1. Ereignis: Im Jahr 1848 wurde in Kalifornien Gold entdeckt. Diese Nachricht verbreitete sich schnell bis nach Europa und löste den sogenannten Goldrausch aus. Viele Europäer verließen ihre Heimat, um in Kalifornien nach Gold zu suchen.

Pull-Faktor: die Hoffnung auf Reichtum.

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Galerie: Ein Beispiel für Push- und Pull-Faktoren

2. Ereignis: In den Jahren 1845-1852 herrschte in Irland eine schreckliche Hungersnot. Die eingeschleppte Kartoffelfäule vernichtete ganze Kartoffelernten. Die Kartoffel war damals das Grund- und Hauptnahrungsmittel in Irland. Daher starben ca. 1 Million Iren an Hunger und Krankheiten, 2 Millionen wanderten aus.

Die Zeichnung stammt aus einer Londoner Zeitung von 1849 und zeigt die Irin Bridget O'Donnel mit ihren Kindern.

Push-Faktor: Hunger und Armut.

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Galerie: Ein Beispiel für Push- und Pull-Faktoren

3. Ereignis: 1848/49 fanden in Europa mehrere Revolutionen statt. u.a. in Frankreich, Deutschland, Italien und Polen. Die Bürger kämpften für mehr Freiheit und eine Einschränkung der Macht ihrer Fürsten. Fast alle dieser Revolutionen scheiterten und die Fürsten blieben an der Macht. In den Folgejahren wanderten viele Revolutionäre in die USA aus, denn dort herrschten keine Fürsten, sondern eine von den Bürgern gewählte Regierung.

Push-Faktor: Unfreiheit und Verfolgung.

Pull-Faktor: Freiheit und Sicherheit vor Verfolgung.

Ein Mittel, Migration besser verstehen und untersuchen zu können, ist das Push-Pull-Modell. Dieses Modell geht davon aus, dass es Umstände gibt, die Menschen von dem Ort, an dem sie leben, 'wegdrücken' – die Push-Faktoren (engl. push = drücken). Solche Push-Faktoren müssen also Umstände sein, die das Leben der Menschen verschlechtern oder gefährden, wie etwa Arbeitslosigkeit, Krieg oder Verfolgung.

Daneben gibt es Umstände, die Menschen zu einem anderen Ort 'hinziehen' – die Pull-Faktoren (engl. pull = ziehen). Solche Pull-Faktoren stellen also Verbesserungen oder zumindest die Hoffnung auf Verbesserung im Leben der Menschen dar. Beispiele für Pull-Faktoren sind Sicherheit, Arbeitsplätze oder Wohlstand.

Wenn diese Push- und Pull-Faktoren stark genug werden, entsteht Migration. Um zu erklären, warum Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem bestimmten Ort zu einem anderen migrieren, muss man also die auf diese Menschen wirkenden Push- und Pull-Faktoren finden.

Darstellung 4

Marias Migrationsgeschichte (erfundene Geschichte)

Maria lebt in Lissabon. 2011 schließt sie ihr Ingenieursstudium an der Universität ab. Zu dieser Zeit herrscht in Portugal eine Wirtschaftskrise und deshalb hohe Arbeitslosigkeit. Jahrelang versucht Maria, eine Anstellung als Ingenieurin zu finden, bleibt aber erfolglos. 2014 beschließt sie, nach Deutschland zu ziehen, da dort die wirtschaftliche Situation besser ist und es viele freie Ingenieursstellen geben soll. Sie zieht nach Stuttgart, wo ihr Onkel als Facharbeiter in der Automobilindustrie arbeitet. Aber auch in Deutschland findet Maria wegen ihren schlechten Deutschkenntnissen zunächst keine Anstellung als Ingenieurin. Sie bleibt dennoch in Deutschland, schlägt sich als Kellnerin durch und besucht mehrere Deutschkurse, weil sie die Hoffnung hat, irgendwann eine Stelle als Ingenieurin zu bekommen.

Lukas Epperlein, Institut für digitales Lernen

Darstellung 5

Martins Migrationsgeschichte (erfundene Geschichte)

Martin kommt aus einem Dorf im Münsterland. In der zehnten Klasse verliebt er sich in einen Mitschüler. Da er Angst vor der Reaktion seiner Eltern hat (mit denen er sich eigentlich gut versteht), traut sich Martin nicht, ihnen zu erzählen, dass er homosexuell ist. Im Dorf gibt es keine offen homosexuell lebenden Männer. Mit 18 geht Martin bei einem Wochenendausflug nach Köln zum ersten Mal in eine Schwulenbar. Die Männer, die er dort trifft, erzählen ihm von der Größe und Vielfalt der Kölner Schwulenszene. Martin bricht seine Ausbildung zum Industriemechaniker ab und zieht nach Köln. Seinen Eltern sagt er, dass er dort "irgendwas mit Medien" machen will.

Lukas Epperlein, Institut für digitales Lernen

Aufgabe 2

  1. Lies dir die Darstellungen 4 und 5 durch und erstelle eine Liste der Push- und Pull-Faktoren, die in den Geschichten zur Migration führen.
  2. Sucht gemeinsam in der Gruppe nach weiteren Push- und Pull-Faktoren, die Menschen zur Migration bewegen können.

5. Wie bekommt man einen Migrationshintergrund?

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'Geh' gefälligst dahin, wo du herkommst!' - Karikatur des Künstlers Tom Körner zum Thema Migration.

Man kann in Deutschland nicht nur Migrant sein, man kann auch einen Migrationshintergrund haben. Einen Migrationshintergrund hat man (nach der Definition des statistischen Bundesamtes), wenn man entweder selber nach Deutschland eingewandert ist oder Eltern hat, die in den letzten 70 Jahren nach Deutschland eingewandert sind.

Das heißt also, es gibt Menschen, die in Deutschland geboren wurden, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, von Geburt an Deutsch als Muttersprache sprechen und nie irgendwohin migriert sind – und dennoch haben diese Menschen einen Migrationshintergrund, wenn ihr Vater oder ihre Mutter nach Deutschland eingewandert sind.

Daran sieht man das Problem mit dem Begriff Migrationshintergrund: Er klingt irgendwie nach Einwanderung und Ausländern, bezeichnet aber oft Menschen, die überhaupt nicht eingewandert sind und sich selbst zu Recht als Deutsche betrachten. Dennoch wird dieser Begriff verwendet, in der Politik, in den Medien, in der Gesellschaft. Deshalb sollten wir ihn uns etwas genauer anschauen und uns dabei fragen, welchem Zweck dieser Begriff dienen kann.

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Quelle 3

Das statistische Bundesamt zum Begriff 'Migrationshintergrund'

Wir versuchen, das Phänomen Migration durch das Konzept der "Bevölkerung mit Migrationshintergrund" leichter fassbar zu machen. Dieser Begriff ist in Wissenschaft und Politik seit langem verbreitet und wird trotz seiner Sperrigkeit auch im der Alltagssprache immer öfter verwendet. Er drückt aus, dass zu den Betroffenen nicht nur die Zuwanderer selbst – d.h. die eigentlichen Migranten – gehören sollen, sondern auch bestimmte ihrer in Deutschland geborenen Nachkommen. [...]

In unserer Studie kann der Migrationshintergrund ohnehin nur künstlich, also als von den Forschern definierter Begriff bestimmt werden, da es aus naheliegenden Gründen nicht möglich war, den Betroffenen die Frage zu stellen "Haben Sie einen Migrationshintergrund, und wenn ja, welche Ausprägungsform?"

Aufgabe 3

In Quelle 3 wird behauptet, dass man Menschen aus "naheliegenden" Gründen nicht danach fragen kann, ob sie "einen Migrationshintergrund" haben und in welcher "Ausprägungsform".

  1. Stelle Überlegungen zu den "naheliegenden" Gründe an. Welche könnten gemeint sein?
  2. Diskutiert in der Gruppe die möglichen Gründe dafür, dass man diese Fragen nicht stellen kann?
Gruppe deutsche StaatsbürgerschaftAnteil
Direkt zugewanderte AusländerNein36%
In Deutschland geborene AusländerNein11%
SpätaussiedlerJa12%
Eingebürgerte, zugewanderte AusländerJa20%
In Deutschland geborene Deutsche mit mindestens einem Elternteil mit ausländischer StaatsangehörigkeitJa21%
Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2006, Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland im Jahr 2005, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Migrationsberichte/migrationsbericht-2006.pdf?__blob=publicationFile&v=12 [05.02.2025], S. 171.

6. Was hat das alles mit Russlanddeutschen zu tun?

In diesem Buch geht es um Russlanddeutsche. Russlanddeutsche sind Deutsche. Sie besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit und dennoch beginne ich dieses Buch mit einem Kapitel über Migranten. Warum?

  • Erstens ist die Geschichte der Russlanddeutschen auch eine Geschichte der Wanderung. Aus ganz unterschiedlichen Gründen haben Russlanddeutsche immer wieder ihren Wohnort verlassen (manchmal freiwillig, manchmal gezwungenermaßen), um an einem anderen Ort zu leben. Um diese Geschichte zu verstehen, brauchen wir die Begriffe, die ich in diesem Kapitel vorgestellt habe.
  • Zweitens sind die Russlanddeutschen heute in Deutschland oft in Situationen, in denen sie sich mit dem Begriff 'Migrationshintergrund' auseinandersetzen müssen. Sie müssen oft einen Kampf darum führen, als 'richtige Deutsche' akzeptiert zu werden. Diese Erlebnisse teilen sie mit den Nachkommen von Migranten, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben.